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Freitag, 17. Oktober 2014

REK - Free Church of England / Brasilien Nachrichten

Nachrichten - Besuch aus “Übersee"
Traditionsverbundene Anglikaner aus Deutschland und Lateinamerika bei der Free Church of England.


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Vom 27. September bis 1. Oktober besuchte eine Delegation der Reformierten Episkopalkirche ihre englische Schwesterkirche, die Free Church of England. Die Free Church of England und die nordamerikanische Mutterkirche der Reformierten Episkopalkirche (die Reformed Episcopal Church) haben ihre historischen Wurzeln in der Opposition vieler anglikanischer Geistlicher und Laien gegen romanisierende Tendenzen in der anglikanischen Kirche im Nachgang der sogenannten Oxford-Bewegung: Die reformiert-episkopalen Gründerväter wandten sich insbesondere gegen eine einseitige Annäherung der anglikanischen Kirche an die im Tridentinum und Ersten Vatikanum definierten Sonderlehren der römisch-katholischen Kirche und deren liturgische Praxis, ohne dabei natürlich die traditionelle anglikanische Hochschätzung der frühen Kirchenväter und der ersten vier Ökumenischen Konzilien über Bord zu werfen.



Bischof Gerhard Meyer reiste in Begleitung zweier weiterer Geistlicher der Reformierten Episkopalkirche des Bistumsrats: des stellvertretenden Vorsitzenden, Pfarrer Michael Winkler und des Sekretärs Diakon Dr. Frederik Herzberg (Ökumenebeauftrag-ter der REK). Auf dem Programm stand zunächst die Predigt von Bischof Gerhard Meyer am 28. September in St Andrew's Church, Bentley, Walsall (bei Birmingham). Hierbei handelt es sich um die florierende Gemeinde von Bischof Paul Hunt, dem Bischof der südenglischen Diözese der Free Church of England.


Am Abend nahm Bischof Meyer als Co-Konsekrator an der Regularisierung der Bischofsweihe von Bischof Josep Rossello im Rahmen einer Eucharistiefeier in St Andrew's teil (mit Bischof John Fenwick als Hauptkonsekrator und Bischof Paul Hunt als weiterem Co-Konsekrator). Diakon Dr. Herzberg der deutschen Delegation verlas das Evangelium.



Es handelt sich bereits um die zweite Bischofsweihe, an der Bischof Gerhard Meyer beteiligt war; die erste war die Konsek-ration von Bischof Jasmin Milic´, welcher der reformiert-episkopalen Jurisdiktion in Kroatien und Serbien vorsteht. Die Ordinationen und Konsekrationen der Free Church of England werden von der Church of England nicht nur im Hinblick auf ihre sakramentale Gültigkeit, sondern auch staatskirchenrechtlich (unter dem Overseas and Other Clergy Measure 1967) anerkannt. Alle genannten Bischöfe stehen sowohl in der anglikanischen Sukzession als auch in der altkatholischen Sukzession der Kirche von Utrecht; die Bischöfe Fenwick und Hunt stehen zusätzlich in der syrisch-orthodoxen Sukzession der indischen Thozhiyur-Kirche.



Am 29. und 30. September schlossen sich Gespräche der deutschen Delegation mit Bischof Dr. John Fenwick, dem Leitenden Bischof der Free Church of England (zugleich ein ausgewiesener Liturgiewissenschaftler, Kirchenhistoriker und Ökumeniker), sowie Bischof Paul Hunt, dem Diözesanbischof für Südengland, und eben Bischof Josep Rossello an. Unter anderem ging es um den kirchenrechtlichen Status der brasilianischen Auslandsgemeinden und Möglichkeiten einer engeren, auch kirchenrechtlich formalisierten und somit langfristig angelegten, Verbindung von Reformierter Episkopalkirche und Free Church of England. Perspektivisch wurde sogar die Frage erörtert, ob die Free Church of England Auslandsdiözesen einrichten könnte, die zwar nur eingeschränkte Repräsentation in der Convocation, der Synode der Free Church of England, genießen, dafür aber das Recht zur Beibehaltung ihrer internen kirchenrechtlichen und liturgischen Bräuche erhalten. Diese Überlegungen wurden auch dem kir-chenrechtlichen Ausschuss der Free Church of England berichtet. Darüber hinaus wurde über einen weitergehenden Konvergenz-prozess, der die Reformed Episcopal Church in North America ebenso wie die Union von Scranton (Polish National Catholic Church in Nordamerika sowie Nordisch-Katholische Kirche in Skandinavien, Deutschland, Frankreich und Ungarn) gesprochen.



Ferner wurde intensiv über die Identität eines bibeltreuen, traditionsverbundenen Anglikanismus diskutiert. Bischof John Fenwick erinnerte an das Leitziel der Reformatoren und ihrer Schüler (z.B. Bischof Lancelot Andrewes, 1555-1626) sowie auch der Gründer von Free Church of England und Reformed Episcopal Church, die "primitive Church", also das Ideal der frühen unge-teilten Kirche der ersten fünf Jahrhunderte, wiederherzustellen. Er wies zugleich darauf hin, dass insbesondere das Wissen der Reformatoren über diese Epoche aufgrund der damaligen Quellenlage deutlich geringer war als unser heutiger Kenntnis-stand. Er schlug daher vor, auch Bekenntnisschriften wie die 39 Artikeln im Kontext ihrer Entstehung zu lesen und sich stärker am eigentlichen Leitziel der Reformatoren, eben der Wiederherstellung der frühen ungeteilten Kirche, als am Wortlaut der 39 Artikel zu orientieren.



Eine derartige Fundamentaltheologie hat erhebliche Konsequen-zen für alle Aspekte des kirchlichen Lebens, aber insbesondere auch für weitere ökumenische Bemühungen und möglicherweise gar das Erreichen von Lehrübereinstimmung mit den Ostkirchen. Deren Überlieferung kommt dann nämlich schon aus rein histori-schen Gründen in vielen Fällen normativer Charakter zu. In die-sem Zusammenhang mag man an die Worte des Leiters des Außenamts der Russisch-Orthodoxen Kirche, Metropolit Hilarion (Alfejew) von Wolokolamsk, gegenüber einer Delegation der Evangelischen Kirche in Deutschland im Dezember 2012 in Rostow am Don erinnern. Er äußerte die Hoffnung, dass sich die Führung der evangelischen Kirchen Europas einst wieder an den Reformatoren orientieren wird, „deren Motiv nicht die Liberalisierung der Kirche gewesen ist, sondern im Gegenteil, der Eifer, der Kirche mehr Strenge und Treue gegenüber der apostolischen Tradition zu vermitteln“. Abends wurde in der deutschen Delegation noch über die angloirische Mission im Mitteleuropa des 7. und 8. Jahrhunderts diskutiert und darüber, inwieweit das Wirken des hl. Bonifatius und seiner Schüler als Vorbild für heutige traditionsverbundene anglikanische Mission im deutschsprachigen Raum gelten können.





Der Schlusspunkt war am 1. Oktober die Teilnahme der deutschen und brasilianischen Delegationen als Beobachter am General Council der Free Church of England, dem kleineren der beiden synodalen Gremien dieser Kirche, in Shallowford House, einem Tagungshaus der Church of England Diocese of Lichfield. Die Vertreter der Reformierten Episkopalkirche zogen ein positives Resumé. Der Besuch habe sich ausgezeichnet durch herzliche Gastfreundschaft, verbunden mit aufrichtigem, ernsthaftem theologischen und kirchenrechtlichen Diskurs, und nicht zuletzt authentischer Gemeinschaft im Gebet zum wahren, dreifaltigen, in Christus Mensch gewordenen, Gott.



Ein Gegenbesuch der Free Church of England ist geplant für den Reformationstag bzw. den Vorabend des Allerheiligengedenk-tags, wenn das Ordenshaus des Stephanusordens der Reformier-ten Episkopalkirche in Schwarzenborn feierlich eröffnet werden soll. Ein Presbyter der Free Church of England, der zugleich auch als Priester in der Church of England wirkt, wird in Vertretung von Bischof John Fenwick ein Grußwort überbringen.



Der Besuch der Reformierten Episkopalkirche hat sich in einer besonders interessanten Phase der Geschichte der Free Church of England ereignet, wie gerade auch während der Beratungen des General Council deutlich geworden ist. Die Free Church of England ist derzeit dabei, das historische Allgemeine Gebetbuch in der Fassung von 1662 (sowie ausgewählte Liturgien, insbesonde-re die eucharistische, aus der nordamerikanischen Rezension von 1928) für den kirchlichen Gebrauch wieder zuzulassen, nachdem sie bisher das stärker reformiert geprägte Allgemeine Gebetbuch der Synode der Protestantischen Episkopalkirche der Vereinigten Staaten von 1785 verwendet hatte. Auch wird erwogen, die histo-rischen 39 Artikel in der Fassung von 1571 statt den gegenwärtig in der Free Church of England gültigen abgeänderten 39 Artikeln wieder zu ihrem Recht kommen zu lassen.



Damit würde die Free Church of England einen Prozess nachvollziehen, welchen ihre nordamerikanische Schwesterkirche, die Reformed Episcopal Church in North America, und auch die deutsche Reformierte Episkopalkirche bereits zu Beginn des letzten Jahrzehnts (2003) abgeschlossen hat. Nicht zuletzt dem gegenwärtigen Leitenden Bischof John Fenwick ist diese Rück-kehr zu den Wurzeln der englischen Reformation ein Herzensan-liegen, auch im Hinblick auf die guten ökumenischen Beziehun-gen zu den traditionsverbundenen altkatholischen Kirchen der Union von Scranton und den orientalisch-orthodoxen Kirchen.

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